Erfahrungen aus dem Einsatz
am Beispiel der MNB (SW)
- 6. deutsches
Einsatzkontingent KFOR
(Dezember 2002 - Juni 2003)
Oberstleutnant i.G. Thomas
Schellhase war vom 03. Dezember 2002 bis 06. Juni 2003 als Military
Assistent des Chefs des Stabes der Multinationalen Brigade Südwest
in Prizren/Kosovo stationiert. Bei der Gesellschaft für Wehr- und
Sicherheitspolitik in Sigmaringen hielt er kürzlich einen Vortrag
zum Thema „Die erweiterten Aufgaben der Bundeswehr”, wobei es vor
allem um seine Erfahrungen aus dem KFOR-Einsatz mit dem 6.
Kontingent ging.
‘KFOR’, das steht für Kosovo
und damit für ein Land auf dem Balkan, das sich seit dem Kriegsende
im Spannungsfeld zwischen der modernen, westlich geprägten
Zivilisation und der traditionellen Lebensweise befindet. „Das Ziel,
das die Bundeswehr im Kosovo verfolgt, ist klar”, betonte
Schellhase. Es gehe vor allem um die Schaffung eines gefahrlosen
Umfelds für die Rückkehr der Flüchdinge, das Verhindern von
Feindseligkeiten zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen und
den Aufbau einer Infrastruktur, die den Menschen eine Perspektive
für eine Zukunft ohne Gewalt biete.
Keine leichte Aufgabe in
einer Region, in der der Alltag bei oberflächlicher Betrachtung
nahezu ‘normal’ aussieht. Schellhase: „Aber es regiert der
Schmuggel, überall liegen noch Minen und Blindgänger, es wird immer
wieder geschossen, illegale Grenzübertritte sind die Regel und dann
gibt es noch jede Menge Waffen.” Diese zu finden und zu
beschlagnahmen ist auch Aufgabe der Bundeswehr und der anderen
Soldaten aus elf Nationen, die die Multinationale Brigade Südwest
bilden. In einem Land, wo ein Mann ‘ohne Knarre’ kein ganzer Kerl
ist, da tut man sich schwer mit der Entwaffnung, obwohl diese eine
hohe Priorität genießt. „Attentate laufen im Kosovo mit
militärischer Präzision ab”, hat der Oberstleutnant erkannt und dass
Menschenhandel und Prostitution an der Tagessordnung sind, das macht
die Arbeit der Soldaten nicht gerade einfacher. Trotzdem: „KFOR
beherrscht die Straßen.” Das Überwachen der Grenzen,
Straßenkontrollen, Kfz-Kontrollstellen und Hausdurchsuchungen zeigen
Erfolge. Der Offizer bringt die Arbeitsweise der Bundeswehr auf
einen knappen Nenner: „Suchen und Schlagen.” Die KFOR-Truppen seien
durchaus in der Lage, den Auftrag, der an das Militär gestellt wird,
zu erfüllen, „aber es muss weitergehen”.
Bewusstseinsveränderung ist
angesagt und das gilt auch für das Thema Ökologie: „Das
Umweltbewusstsein ist im Kosovo nicht sehr ausgeprägt, der Müll ist
ein großes Problem”, sagt Schellhase. Man müsse die Abhängigkeit von
der KFOR abbauen, sowohl was die Sicherheit als auch die
Versorgungslage betrifft und die Kriminalität müsse eingedämmt
werden. Effiziente Verwaltungsapparate aufbauen, die Wirtschaft
beleben und auch den politischen Status eines zukünftigen Kosovo
klären, das sind nach Auffassung von Thomas Schellhase Aufgaben, die
man nicht nur der KFOR alleine überlassen dürfe. Ohne einen
multiethnischen Dialog, der auch eine Aussöhnung und Entwicklung
fördere, sei die Zukunft des Landes nicht zu prognostizieren. „Die
Menschen wollen eigentlich eine Gesellschaft nach westlichem
Vorbild, aber die Strukturen sind noch von der Macht der Clans
geprägt.”
Unübersehbar sei auch der
Vormarsch des Islam, wobei die Kosovaren fundamentalistischen
Entwicklungen eher skeptisch gegenüber stünden. Über die Situation
vor Ort erfahre man derzeit wenig. Wenigstens brauche man derzeit
keinen serbischen Angriff zu fürchten. Aber: „Die Menschen im Kosovo
brauchen uns noch - noch sehr lange!”
Bericht von Karlheinz
Fahlbusch

Oberstleutnant i.G.
Thomas Schellhase beim Vortrag