Nachschau - Veranstaltung am 18.03.2009

„Tibet” - Ein besetzter Staat oder Teilrepublik Chinas?

Tibet wartet weiterhin auf eine Lösung

Sigmaringen - Die Haltung Chinas zum Status von Tibet kann man nur aus der Geschichte des Reichs der Mitte verstehen. Der heutige Wiederaufstieg Chinas zu einer Weltmacht wird die Autonomiebestrebungen Tibets im Keim ersticken.

Dies waren die zentralen Botschaften von Oberst a.D. Eberhard Möschel anlässlich eines Vortrags vor der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik in Sigmaringen. Möschel, von 1993 bis 1998 Verteidigungsattaché an der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Peking, ließ keinen Zweifel daran, dass Chinas Elite, aber auch große Teile der Bevölkerung, diesen Autonomiebestrebungen mit Unverständnis und Ablehnung gegenüberstehen.

Chinas Geschichtsverständnis

Dabei ist die gemeinsame Geschichte komplexer als die chinesische oder die tibetische Seite mit ihrer Argumentation zugibt. China mit seiner 2200-jährigen Geschichte verstand sich schon immer als die zentrale Großmacht Asiens, die in Schwächeperioden zwar Einfluss und Gebietsansprüche immer wieder aufgeben musste, aber in Zeiten der Stärke seine Dominanz zurückeroberte. Tibet hat auf Grund seiner Lage, Größe und geringen Bevölkerungsdichte es nie erreicht, ein eigenstaatliches Gebilde mit festen Grenzen zu entwickeln. Es war schon immer mehr oder weniger stark von außen bestimmt und hatte nur eine eingeschränkte Souveränität. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts folgte diese Abhängigkeit dem jahrhundertealten Konflikt zwischen Mongolen und Chinesen. Mit dem endgültigen Zurückdrängen des mongolischen Einflusses war China die akzeptierte Protektoratsmacht, die Tibet eine innere Souveränität zubilligte, aber die Außen- und Militärpolitik aus der Zentrale in Peking bestimmte. Ausdruck dieser Einflussnahme war die Errichtung einer chinesischen Garnison in der tibetischen Hauptstadt Lhasa ab 1720.

Europa ist nicht unschuldig

Diese von beiden Seiten akzeptierte Machtaufteilung wurde erst gestört, als europäische Mächte im 19. und im frühen 20. Jahrhundert ihren Einfluss im Zuge der Imperialpolitik nach Zentralasien ausdehnten. Das Unvermögen Chinas, sich vergleichbar wie Japan diesen westlichen Einflussnahmen zu öffnen, führte zum demütigenden Niedergang der traditionell konservativ ausgerichteten kaiserlichen Dynastie und ihres Machtapparats, in dessen Folge innere Aufstände und Abspaltungstendenzen in den Provinzen aufkamen. Der Sturz der Qing-Dynastie veranlasste die Vertreibung des chinesischen Militärs und der Beamtenschaft aus Tibet und führte 1913 letztlich zur Proklamation der Unabhängigkeit durch den Dalai Lama. China hat seinen Anspruch auf Tibet auch während der nachfolgenden Bürgerkriegszeit nie aufgegeben und hat ihn 1951 mit dem Einmarsch der kommunistischen Volksbefreiungsarmee eingelöst. Tibet wurde der Status eines autonomen Gebietes innerhalb der Volksrepublik China zugewiesen. Mit der Umsetzung kommunistischer Reformen wurde die anfänglich akzeptierte Stellung des Dalai Lama als kulturell-geistliches Oberhaupt der Tibeter angegriffen. Nach einem blutigen Aufstand 1959 musste der heutige 14. Dalai Lama ins benachbarte Indien fliehen, von wo aus seine Exilregierung, die von keinem Staat der Welt anerkannt wird, die Tibetfrage international offenhält.

Die Lösung ist in weiter Ferne

Auf Grund dieser geschichtlichen Entwicklung sieht Möschel auf absehbare Zeit keine Möglichkeit zur Konfliktlösung. Zudem sind der Dalai Lama und die chinesische Führung seit Jahrzehnten unfähig, die persönlichen Verdächtigungen und Kränkungen zugunsten einer pragmatischeren Haltung hintenanzustellen. Dem Dalai Lama wird vorgeworfen, die Unruhen zu Ende der fünfziger Jahre mit der Unterstützung der CIA und des indischen Geheimdienstes durchgeführt zu haben und zudem seinen kulturell-geistlichen Führungsanspruch nicht auf das Autonome Gebiet Tibet zu begrenzen, sondern den gesamten tibetischen Kulturraum zu beanspruchen. Die Chinesen werden umgekehrt verdächtigt, mit Überfremdungspolitik und brutaler Gewalt berechtigte Autonomieansprüche brutal zu unterdrücken. Dies ist wahrlich keine Basis für eine Konfliktlösung.

 Oberst a.D. Möschel beim Vortrag

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